Annas Tafelzauber Blog

Individuelle Förderung

von Anna Gießer

15. September 2023

Individuelle Förderung

Sowohl im Unterricht als auch im Einzeltraining ist es mir ein großes Anliegen, Kinder individuell zu fördern und an ihrem Lernstand und Wissen anzuknüpfen. Dazu ist es notwendig, sich im Vorfeld Gedanken zu machen: Wo muss ich überhaupt ansetzen? Was soll das Kind können? Welche Übungen führen das Kind zu diesem Ziel?

Im Folgenden beschreibe ich meine Vorgehensweise im Einzeltraining, welche ebenso für den Unterricht in der Schule ident ist.

 

Schritt 1: Wo setze ich an?


In einem ersten Schritt ist es wichtig, das Kind zu beobachten. Ich muss wissen, was das Kind kann und wo die Schwierigkeiten liegen. Einen besonderen Fokus lege ich auf die Stärken und Interessen der Kinder, um von Beginn an Erfolgserlebnisse schaffen zu können. Wenn ihr mehr über das Thema Erfolgserlebnisse wissen wollt, könnt ihr meinen Blogbeitrag dazu lesen.

Es ist mir also wichtig, den Lernstand der Kinder zu ermitteln. Dies gelingt durch genaue Beobachtungen und Diagnoseverfahren. Im Legasthenietraining lasse ich zum Beispiel in den ersten Einheiten immer eine Schriftprobe anfertigen. Das Kind soll je nach Alter einen Satz oder einen kurzen Text verfassen. Im Dyskalkulietraining ist es besonders wichtig, die Kinder beim Rechnen genau zu beobachten und die Rechenvorgänge beschreiben zu lassen. Rechnet das Kind zählend? Wenn ja, warum? Manchmal ist es auch hilfreich und notwendig einen oder mehrere Schritte zurückzugehen und zu überprüfen, ob Vorläuferfähigkeiten gefestigt sind.

Wenn ich weiß, wo das Kind steht, kann ich weitere Planungen anstellen.

Schritt 2: Was ist das Ziel?


Nachdem ich weiß, was das Kind kann und welche Schwierigkeiten es noch hat, kann ich mir überlegen, was das Kind überhaupt können soll. Dazu überlege ich mir ein großes Ziel und mehrere Zwischenziele. Ein Gesamtziel könnte sein, dass Rechnungen im Zahlenraum 10 nicht zählend gerechnet werden können. Ein Zwischenziel könnte sein, dass das Kind die Zahl als Menge wahrnimmt und somit das kardinale Zahlverständnis gefestigt wird. Die Ziele sollen auf den Lernstand der Kinder aufbauen. Durch die Formulierung von Zwischenzielen erarbeite ich mir selbst einen Förderplan. Natürlich kann es immer wieder sein, dass dieser angepasst werden muss.

Schritt 3: Welche Übungen wende ich an?


Sobald der Lernstand des Kindes und die damit verbundenen Ziele definiert wurden, überlege ich mir, welche Übungen und welche Materialien gebraucht werden, um ans Ziel zu kommen. Dabei kann es sich um grobe Überlegungen handeln, aber auch schon um detaillierte Übungsmöglichkeiten. Ich stelle mir folgende Fragen:

  • Welche Übungen machen Sinn, um ans Ziel zu kommen?
  • Mit welchen Übungen schaffe ich Erfolgserlebnisse?
  • Was braucht das Kind, um XYZ zu lernen?
  • Habe ich bereits geeignetes Material?
  • Muss ich neues Material ankaufen oder erstellen?
  • Muss ich vorhandenes Material anpassen?

Übungen

 

Ein Beispiel aus der Praxis


Lea ist 7 Jahre alt und besucht die zweite Klasse Volksschule (Grundschule). Sie kommt zu mir ins Mathematik-Training. In der ersten Einheit mache ich mehrere Übungen mit Lea. Ich „überprüfe“ den Zahlenraum 10 und beobachte, wie Lea rechnet. Ich lasse sie Zahlen mit Material legen und benennen und beobachte das Stellenwertverständnis.

Meine Beobachtungen:

Lea rechnet im Zahlenraum 10 zählend und langsam. Beziehungen zwischen den Zahlen (z.B. 6 ist um 1 größer als 5) erkennt sie nicht. Fingerbilder und Mengen bis 6 erkennt Lea sofort. Rechenstrategien werden nicht angewendet.

Mein großes Ziel:

Lea baut ein tragfähiges Zahlverständnis im Zahlenraum 10 auf. Sie kann im Zahlenraum 10 nicht zählend rechnen. Die Aufgaben werden automatisiert.

Meine Zwischenziele:

Lea erkennt Beziehungen zwischen Zahlen und festigt das Mengenverständnis.

Lea erkennt, dass eine Menge in mehrere Teile zerlegt werden kann. (Teil-Ganzes-Zerlegung)

Lea kann einfache Rechenstrategien wie Tauschaufgaben anwenden.

 

Zahlplakat Rechenstäbe



Meine Übungen/Materialien:

Ich arbeite in erster Linie mit den Rechenstäben von Montessori. Damit lasse ich Mengen legen, ordnen und benennen. Mit Muggelsteinen und anderen Alltagsmaterialien zerlegen wir Mengen. Mit den Rechenstäben erarbeiten wir die Zahlzerlegungen und gleichzeitig die Tauschaufgaben. Ich lasse Lea handelnd mit dem Material arbeiten. Zusätzlich basteln wir Zahlplakate zu jeder Zahlzerlegung und üben nach langer Erarbeitung die Rechnungen im Zahlenraum 10 auf Karteikarten.

 

Anna Gießer

Ich bin Anna, leite mein eigenes Nachhilfeinstitut, gebe Legasthenie- und Dyskalkuliestunden und halte vielfältige Workshops und Fortbildungen. Meine Schwerpunkte liegen in der Förderung, da ich neben meinem Studium die Ausbildung zur Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin absolviert habe. Zudem habe ich bereits als Volksschullehrerin in Österreich gearbeitet und eine erste Klasse unterrichtet. Auf meinem Instagram-Profil "Annas Tafelzauber" kannst du mehr über mich erfahren.